Donnerstag, 7. Juni 2012

na, wo laufen sie denn ...

bevor ich mich aber in meinem üblichen rant darüber verzettele, wie schön die "guten alten zeiten" waren und wie schlecht die gegenwart ist: die gegenwart ist ja nicht so "schlecht" und die vergangenheit nicht so "schön".

früher war das einfacher 

weil die "heutigen" waren ja beim "damals" nicht dabei und unter dieser prämisse konnte man jede mücke problemlos zu einem dreizentnerschweren elefanten aufblasen. heute geht das ja nicht mehr. man erzählt was über die nebelschwaden der revolution und das kid neben dir streichelt kurz über sein neuestes gadget, hat's auf wikipedia nachgeschlagen, korrigiert die eben leicht variierten namen der teilnehmer und weiss "bescheid".

weil heute die jugen eben schlauer sind. sie haben ja das internet. 

dagegen ist man auch dann machtlos, wenn man mit so einem unhandlichen modem, das über den telefonhörer gestülpt, pfeifgeräusche von sich gab, eine verbindung zu einer mailbox herstellen musste, damit man dort texte zum lesen herunterladen konnte oder texte hochladen, damit andere sie lesen konnten.



was zu einem gewissen punkt in zeit und raum mal "state of the art" war und gleichzeitig ein kompletter bruch mit den gewohnheiten der menschen, mit denen man dann zehn jahre leben musste: nullchecker. ahnungslose schafe aus einer vergangenheit, die sich demnächst in luft auflösen würde.

leute eben, die keinen schimmer haben, was das ist, ein "forum", "chatten", "email" - geschweige denn eine homepage. also der "normalfall". sozusagen die vergangenheit dessen, was heute "normalfall" ist.."normalfall" scheint ein ziemlich wandelbarer zustand zu sein.

die welt zerfiel in die, die wissen, und die, die keine ahnung hatten

die, die "wussten", zerfielen allerdings schon in den 90ern in die, die sich mühseelig  programmiersprachen beibrachten und jene, die sich schief lachten, wenn man darüber berichtete, daß man gerade an einer adressverwaltung arbeite und zur antwort einen gezückten taschenkalender zu sehen bekam mit der bemerkung, daß der jedenfalls keinen strom brauche - geschweige ein "betriebssystems", was immer das auch sei.

also in die, die sich etwas vorstellen konnten und die, die sich mit so was eher schwer taten, aber - wenn der groschen erst einmal gefallen ist - die idee für sich selbst reklamieren und einen platz, sich breitzumachen, um die frage zu diskutieren, wie man die sache "bewohnbarer" könne.

die anderen waren viel zu beschäftigt mit ihren sourcecodes, ihrem betriebssystems- oder internetkram, dem kennenlernen und dem "spielen" waren, um an so etwas wie an den griff nach der weltherrschaft auch nur einen gedanken zu verschwenden. politik? ach was, es gibt doch die grünen, irgendwann werden die ja schließlich mal regieren müssen, der dicke kann ja schließlich nicht ewig könig von deutschland bleiben.

dann war boris plötzlich "drin" 

das, was mal deutschland war, wurde förmlich pulverisiert. die welt wurde das opfer eines hinterhältigen plans, den langhaarige hippies unter dem motto "hedonismus funktioniert" ausgeheckt zu haben schienen und der auf die schaffung einer "bewußtseinserweiternden spielwiese" hinauslief, in der jeder sich einerseits ausserhalb seines körpers und seiner identität befinden würde, um spielend die möglichkeiten zu erkunden und andererseits ein globales verständnis von zusammgehörigkeit zu erzeugen.

timothy leary's feuchter traum. fehlten bloß noch die drogen.

das elend mit prozessen, in deren mühlen man gemahlen wird, ist, daß man als rädchen eines getriebes froh ist, wenn man die eigene funktion reflektieren kann, der blick auf die funktion der gesamten "maschine" aber in der regel erst im rückblick möglich ist. dabei ist, um im bild zu bleiben, im chor der rädchen und riemen keine übereinstimmende, objektive bewertung der erfahrungen in den letzten 30, 40 Jahren zu erzielen.

gehen wir ruhig einmal davon aus, daß jedes rädchen das recht auf die letztlich objektive "realität" für sich selbst beansprucht und diese mit der eigenen lebenserfahrung oder der prägung durch das umfeld verwechselt.daran ändert, da sollte man sich keinen falschen hoffnungen hingeben, auch nichts, daß sich jetzt jedes rädchen im internet über den bauplan beugen kann, es tut und zu dem ergebnis kommt, daß es vorher schon genau wusste, was darauf zu lesen ist.

das rädchen als glücklichstes kind im universum: immer hat es "recht", immer ist alles "ganz einfach und klar". und immer hat man das "schon immer" gesagt. ein möglichst kurzer erinnerungsspeicher kann sich da zudem als hilfreich erweisen, immer ganz im einklang mit sich selbst zu sein.

die revolution fand statt, aber keiner hat's bemerkt ...

weil sie als "evolution" seit mehr als 40 jahren mit der leary'schen karrotte "hedonismus" zur veränderung "verführt". die "revolution" hat keine parole oder armee, musste also auch keine schlachten schlagen, weil jede "verlorene" schlacht die erreichten veränderungen nicht mehr infrage stellten konnten - also eindeutig zeitverschwendung war, weil die veränderungen eben in den köpfen stattfanden und sich festsetzten. auch wenn die "mehrheitsgesellschaft", der "mainstream" die jeweiligen "parteigänger" dieser veränderungen auszugrenzen versuchte. im grunde der ewige streit der beharrenden gegen die sich weiter entwickelnden.

neu im spiel: der "zeitgeist", der herumspaziert wie der "pusher" in einem steppenwolf song: "hier, nimm eine von den blauen, solltest du unbedingt probieren. ganz harmlos."

ich weiss. 

das ist bis jetzt schon eine ziemlich lange einleitung, ein ziemlich tiefer griff in die geschichtskiste, mein problem: ich kann nur etwas über die piraten sagen, wenn ich vorher von fliegenden teppichen, timothy leary, der (r)evolution und  rustikalen modemmodellen mit 19000 baud erzähle. nur so läßt sich - jedenfalls für mich - verstehen, was die piraten sind, warum sie so sein können, wie sie sind.und zu "was wollen die  überhaupt?" die frage "wo sind die eigentlich geblieben?" hinzukommt. .

ein phänomen wie die "piraten" ist einerseits nur möglich, weil in den letzten vierzig jahren einige dinge zusammengekommen sind, die die welt, so wie sie "damals" existierte letztlich so tief erschüttert haben, daß wir heute geradezu beiläufig zur kenntnis nehmen, wie die letzten geheimnisse öffentlich herumgereciht werden und selbst die mauern des vatikans mittlerweile löchrig geworden sind, einzig und alleine, weil ideen greifen.

andererseits sind die "piraten" nur möglich, weil die ideen zwar in der welt sind, man sie auf "wikipedia" sofort nachlesen und  sie irgendwie "gut" genug finden kann, um eine partei zu gründen, auch wenn man nicht versteht, welcher art die idee ist und wo sie her rührt. oder, noch weniger versteht, warum sich die eine idee nicht mit der anderen verträgt - auch wenn ich schöne beispiele, daß man mich ohne zögern sehr eindeutig widerlegt, kenne und erfreut zur kenntnis nehme.

aber ich eile voraus. weil ich noch mal abschweifen muss weil es nicht geht ohne einen kurzen blick auf die veränderungen  im  öffentlichen prozess der "willensbiildung", oder doch zumindest ihre annfäge.

von der buch- in die tv- und von ihr in die medien-gesellschaft

das fernsehen der 50er sollte tatsächlich der "bildung" und dem "bilden von willen" dienen, also dem, was dem zuschauer in einer art ansprache durch den pantoffelkino-pfarrer, der sich als nachrichtensprecher verkleidet hatte, vermittelt wurde. wie "völkisch" das im grunde noch unterschwellig oder offen ausgelebt auch immer war.

der zuschauer war teil von "ersatzhandlungen" für eine goebbelsrede, auch wenn vorne keiner mehr kreischte sondern in die luft hüpfte und es auch nicht mehr um den "endsieg" ging, eher um, man ahnt es, "wissensvermittlung" in der form von quiz-shows. dabei sein ist alles. krieg nur noch als "spiel ohne grenzen". aber, unübersehbar immer noch die gute alte "volksaufklärung". das fernsehen, bei allem spaß, moralische instanz.

bei allem ernst betriebenen spaß: daran hat sich in gut 30 jahren nichts wesentliches geändert. so wenig wie an dem ewigen spiel von partei(blöck)en um einfluss auf das, was ausgestrahlt wird und kontrolle darüber,  welche "spielregeln" galten und was "aussen vor" zu bleiben hatte

alte männer verdienen ihr geld mit herumsitzen und nachdenken

wesentliche eigenart dessen, was in den 50ern und 60ern den prozess der "willensbildung" ausmachte, waren alte männer mit pfeife, die grüblerisch herumhockten und schwere gedanken wälzten. genauer betrachtet wahrscheinlich alte männer mit pfeife, die es irgendwie "drauf" hatten, herumzuhocken, grüblerisch zu wirken und den eindruck zu erwecken, etwas schweres ging in ihnen vor, wenn sie nicht tatsächlich grüblerische alte männer mit pfeife waren, die - ohne scheiss! - über etwas schwerwiegendes nachdachten.

dieser typus mann beherrschte mal die welt und ist ja aus den medien weitestgehend verschwunden. man kann das zwar auf wikipedia nachlesen, aber ... das ersetzt nicht die erfahrung von alten männern, die schier endlos grüblerisch herummäanderten und so eine gewisse begeisterung für die idee, daß man über etwas nachdenken sollte, bevor man die pfeife aus dem mund nimmt, erzeugten.

weil das als tugend galt und nicht als zeitverschwendung.

solche männer vermutete man auch in der zweiten wichtigsten instanz, der "presse", wie das hieß, als es noch nichts anderes gab als bedrucktes papier, einmal am tag, einmal in der woche. zeit genug, über etwas nachzudenken, sollte man meinen und dann den kurzschluss zu riskieren, daß es vielleicht genau das ist, was den eindruck erzeugt, da0 "früher" die leute noch "ansichten" oder sogar so etwas wie eine "weltanschauung" hatten und beides hinge irgendwie zusammen.

mag sein. auch wenn "früher" die eindeutigkeit nicht unbedingt auf viel nachdenken basierte, eher auf der ausgelebten borniertheit von rechthabern und tabuneurotikern.

wer gehört dazu? wer bleibt draußen?

in einer als schwarz weiss, ost west, nord süd (miss)verstandenen welt, fiel es diesen alten männern mit pfeife oder zigarre zunächst noch relativ einfach, die, die man draussen halten wollte - oder die selbst erst gar nicht "rein" wollten, auszugrenzen. "die kann man doch nicht ernstnehmen, die haschbrüder", die sich dann im verlauf der zeit zu "sympathisanten",  zu "berufsdemonstranten" im heutigen verständnis der dinge eines beliebigen politisch desorientierten unserer tage in einen "ökofaschisten" mutierten. letzteres allerdings erst, seit dem sie "drin" sind.

heute ist es allerdings schwerer, nicht "drin" zu sein.

das kunststück gelingt nur, aus welchen sich mir nicht erschliessenden gründen auch immer, nur der partei "die linke". wahrscheinlich muss immer einer den dummen august abgeben. eine art gesellschaftlicher reflex. das war früher einfacher, da konnte man "jude" sagen und es war klar, wer "draussen" war und was mit ihm zu passieren hatte. das ist heute erheblich schwieriger, auch wenn man bei der lektüre von kommentaren in leserbriefforen den eindruck gewinnen könnte, es hätte sich nichts geändert in der ganzen zeit.

was sich auf jeden fall geändert hat: der prozess der "willensbildung" wurde zunächst auf stereo, dann auf polyphon geschaltet - in der im nachhinein verrückten hoffnung, so diesem prozess ein heer unterschiedlicher stimmen hinzuzufügen ... und am ende nur bessere quelle-kataloge mit bewegten bildern bekam, eine willkürlich auf der strasse angesprochene person vor der kamera sofort das stück in einer jeans reklame pfeifen könnte, aber nicht sagen könnte, wie die band heißt und sich an der frage, ob er "links" oder "rechts" sei, ins stottern käme.

das hätte sie in den frühen 90ern noch in verlegenheit versetzt, heute könnte auch ein hohelied auf die eigene dummheit eine fantastillion klicks auf youDupe und einer partiellen x-prominenz in der wunderbaren welt der medien provozieren.

 oops. alles ist auf den kopf gestellt.

die grüblerischen alten männer mit ihren pfeifen oder zigarren sind im prozess der öffentlichen willensbildung gänzlich verschwunden und einer spezies gewichen, die grob betrachtet in eine "miss piggy" und eine "eagle sam" fraktion zerfallen, denen aber im wesentlichen eher die rolle von waldorf und stadler zukommt, oben vom balkon den diskurs mit besserwisserischen aber folgenlosen rechthaberei garnieren. die musik spielt unten und die band besteht aus jungen menschen. weil junge menschen den alten menschen ersetzt haben.

was, grob betrachtet, ein natürlicher prozess sein könnte, wäre nicht die verkehrung der prämissen: "alt=erfahren" und "jung=unwissend" im verlauf des evolutionsprozesses erfolgt. basierend wahrscheinlich auf einem verfügbaren taschengeld, das in märkten "angelegt" wurde, die von der welt der erwachsenen eher als "unseriös" galten, also spielzeug, rockmusik und drogen.

welcher anteil dem jeweiligen faktor zukommt, hat bis jetzt niemand in zahlen gegossen, aber die vorstellung, daß gedopte junge männer im buisiness auf verlebte alte männer mit pfeife in endlosschleifen grübelnd trafen und wie das gefecht endete, erübrigt sich:

wir leben mit dem ergebnis.

formal unter dem status quo der regeln der alten männer, die eigentlich im besten falle ein mindestmaß an bildung, disziplin, erfahrung als eintrittsticket voraussetzten - oder jedenfalls in der vorstellung von dem, wie dieses konstrukt funktioniert - wurde die welt auf den kopf gestellt und - ein hallelujah für den schutzpatron herbert grönemeyer - den kindern die macht übertragen. auch wenn die eigentlich eher gerade eine klassische midlife-cris durchmachen müssten oder an den nebenwirkungen der wechseljahre leiden.

das ist jetzt heikel und komplex. also mache ich es einfach

auch wenn man sich die erwachsenen der 80er und 90er als zwei gruppen vorstellt: die einen, die teil der gesellschaft sein wollten und die anderen, die - wie auch immer - von ihrem selbstverständnis her etwas anderes machen wollten und sich das recht herausnahmen, das zur not auch radikal zu tun. stichwort "selbstverwirklichung", muß man nüchtern feststellen, daß beide mehr verbindet als unterscheidet.

nicht zuletzt, weil die vorgeblich gesellschaftlich integrierten sich auch erlaubten, "sich selbst zu verwirklichen" oder die eigene kindheit eben um ein paar jahrzehnte zu verlängern.

in kategorien der 50er oder 60er jedenfalls ganz und gar nicht mehr "bürgerlich" oder "konservativ". eher - leary lebe hoch! - eben "hedonistisch"."bürgerlich" waren eigentlich eher nur noch "mein haus, meine frau, mein auto, meine yacht"

"i want the world and i want it now". jim morrison in essenz. allerdings als nationalhymne einer erwachsenenwelt, die das zunehmen als abzuarbeitende maxime ihres konsumverhaltens verstanden. erwachsene kleinkinder den marsriegel an der kasse ausgestreckt verlangen, daß papa den bezahlt und erkennen dann irritiert, daß sie selbst der papa sind und sch auch "zwei bällcha eis" bestellen dürfen, weil sie 45 sind und ingenieur.

politik? ach was, "you got a right to party". 

die größte demonstration, eine art sich bewegendes festival auf rädern, motto "friede freude eierkuchen". die "jeunesse d'oré" in aktion.

da ist es eigentlich nicht besonders überraschend, daß am ende wirklich die kinder die macht übernehmen oder doch die dinge in die hand nehmen (mussten).

die will ja zunehmend keiner mehr, und wenn einer sie hat, denkt er schon mal über den jugendlichen liebhaber nach, oder daß er in der freien wirtschaft besser aufgehoben wäre oder in der eigenen kanzlei jedenfalls keine keifenden weiber ihn über die werte der eigenen partei belehren.

wozu? ist doch nicht mehr so wie früher als man sich noch locker den geldbeutel in einem puff in den usa klauen lassen und sich mit jedem x-beliebigen diktatoren treffen konnte und zuhause immer noch als ehrenwert gelten konnte.

wozu also der ganzer stress?. "da leg ich mich doch lieber hin, denn so macht alles keinen sinn". die jungs haben alle "ideal"  gehört und den rat beherzigt. geblieben sind nur die, die bereit sind, so lange so zu tun "als ob", bis ihnen jemand die doktorarbeit zerfleddert und sie platz machen müssen für den nächsten, der besonders gut so tun kann, als ob die regeln und die moral der alten männer immer noch gültigkeit besäßen. flinke junge menschen, immer unterwegs, um die welt zu retten, immer einen dummen aber flotten spruch auf den lippen, weil sie die speicherkapazität von rädchen ganz gut kennen. gegen null und fallend.

so in die gegenwart geschleudert, 

in der die welt der 60er offensichtlich in den köpfen nie zu enden scheint als "die gute alte zeit", in der die dinge noch gut und heil war - beweis: jede beliebige single von heintje - und die ersten potemkinschen kulissen risse bekommen, sich sogar die angst breit macht, es könnten noch ein paar mauern fallen und das, was sich dahinter bislang noch halbwegs bändigen ließ, auf die eigene heile welt losgelassen werden, taucht aus dem "nichts" plötzlich diese erste partei auf, die die interessen der kinder wahrnehmen will, die "piraten".

na danke.

nach dem ponyhof nun der kindergeburtstag?

bevor ich mich überlegungen hingebe wie der, ob ich einem 12jährigen meine autoschlüssen anvertraue und ihn damit beauftrage, mich nach hause zu bringen, drücke ich mal kurz auf die pause taste


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