Montag, 26. März 2018

repost: ra. wilson

weil christian stöcker gerade das große menschheitsexperiment entdeckt zu haben scheint, reposte ich einen teil der 200. post dieses blogs, damit sich der kurzatmige leser jenseits des ganzen hippie-krams schnell orientieren kann ;)

ich bin mir gerade nicht sicher, was die quelle war, ich denke eine sphinx-ausgabe, die ich mitte der 90er direkt gescannt habe, als das technisch möglich war, ein bißchen OCR und dann landete dieser beitrag auf meiner ersten homepage bei compuserve.

 
Robert Anton Wilson
Die letzten 4000 Jahre und die naechsten 40 Jahre

In den naechsten 40 Jahren können wir mit mehr Veraenderungen fuer das menschliche Leben rechnen, als in den ganzen letzten 4000 Jahren zusammen .


Das ist eine ziemlich exakte und ueberhaupt nicht utopische Voraussage und sie stuetzt sich auf einen wenig bekannten Faktor des menschlichen Lebens, den ich die I²-Funktion nennen will. I² steht fuer mehrere Phaenomene gleichzeitig - Intelligence Intensification (Intelligenzintensivierung) und Information Increase (Informationszuwachs) zum Beispiel. Ich kann auch Ego² heissen - das heisst, Mutation und Erweiterung unserer Selbsteinschaetzung, da wir immer noch den technischen und sozialen Kraeften unterworfen sind, die uns schon in den vergangenen Jahrtausenden beeinflusst und veraendert haben.



Bevor wir uns mit der beschleunigten Metamorphose der naechsten 40 Jahre beschaeftigen, wollen wir uns noch einmal vor Augen halten, wie sich die I² -Funktion stufenweise entfaltete.

Kurz vor den französischen und amerikanischen Revolutionen von 1776 und 1788 kamen mehrere Philosophen gleichzeitig zum ersten Mal zum Schluss, dass "Fortschritt" keine Grenzen kennt, dass es im menschlichen Leben nichts gibt, was sich nicht veraendert und in hohem Masse verbessert werden könnte. Der Mathematiker Condorcet vertrat diese Ansicht am vehementesten und wagte es sogar, von der "unendlichen Vervollkommenbarkeit der Menschheit" zu sprechen. Solche Ideen spielten fuer den Ausbruch der beiden erwaehnten Revolutionen, wie auch fuer die mexikanische Revolution von 1810 und einen grossen Teil des darauf folgenden Radikalismus eine entscheidende Rolle.

Natuerlich waren Condorcet und andere Radikale des 18. Jahrhunderts ein bisschen zu optimistisch. Sie neigten durchwegs zu der Hoffnung, dass ein bestaendiger Fortschritt alle Probleme ueberwinden wuerde, sobald die Monarchie durch eine Demokratie ersetzt und der Papst daran gehindert worden waere, sich in die wissenschaftliche Forschung einzumischen. Aber so einfach war es nicht und ein Grossteil des utopischen Gedankenguts des 19. Jahrhunderts - einschliesslich Karl Marx, dessen leidenschaftliche Forderung nach Gerechtigkeit mit seinem intoleranten, autoritaeren Fuehrungsstil gepaart die kommunistische Bewegung ins Leben rief gruendete auf Versuchen, "unmittelbaren Fortschntt" zu produzieren, indem man dem Staat die Macht uebertrug, sozusagen jedermann dazu zu zwingen, gluecklich zu sein. Das hat sich nicht sonderlich bewaehrt.

In den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts traten zwei Brueder in die öffentlichkeit, die zufaellig Enkeleines amenkanischen Praesidenten und Urenkel eines anderen waren, naemlich Brooks und Henry Adams. Sie sahen die Gesetze des sozialen Wandels ein bisschen deutlicher. Ihre Erkenntnisse gipfelten in dem, was Henry "Das Gesetz Der Beschleunigung" nannte. Dieses angebliche Gesetz, das allerdings nicht ganz praezise formuliert war, stellt folgende Hypothese auf: Eine Veraenderung ist nicht die Folge von Politik oder Revolutionen, die wiederum nur seine Symptome darstellen. Veraenderung, so meinten die Brueder Adams, wird von den ökonomischen und technologischen Faktoren innerhalb der Gesellschaft bestimmt. Und dann unterbreitete Henry Adams der öffentlichkeit die kuehne Theorie, dass ein solcher Wandel mit der Geschwindigkeit der reziproken Potenz von Zeit erfolgt.

Im einzelnen ging Henry von einem Intervall von 90'000 Jahren zwischen dem ersten Auftauchen des Homo erectus (damals ging es mit der Anthropologie gerade erst los) und der wissenschaftlichen Revolution von Galileo, Bacon usw. um 1600 aus. Er nahm an, dass der naechste Sprung um circa 1900 mit der Quantentheorie, der Entdeckung des Radiums, den Bruedern Wright usw. erfolgte. Nun ist 300 bekanntlich die zweite Wurzel aus 90'000 und Henry Adams folgerte daraus, dass der naechste Sprung in 300 Jahren stattfinden musste - also in etwa 22 1/2 Jahren oder im Juni 1922.

Die Dinge entwickeln (oder entwickelten) sich jedoch nicht ganz so schnell.

Waehrend Henry sich in wilden mathematischen Theonen verlor, stiess sein Bruder Brooks auf ein noch interessanteres Phaenomen. Er beobachtete, dass die Anhaeufung von Kapital, also das Zentrum ökonomischer Macht der ganzen Welt, sich mehrere tausend Jahre lang staendig weiter nach Westen verschoben hatte. Er beschrieb, wie es von Babylon nach Griechenland, nach Rom und von dort aus zu den italienischen Stadtstaaten der Renaissance, aufwaerts, aber immer noch westwaerts nach Deutschland und dann England wanderte und zur Zeit seines Schaffens zwischen London und New York schwebte. Er sagte voraus, dass es sich ganz nach New York verlagern wuerde, was dann auch tatsaechlich so kam.

(Schwenkt es momentan wegen der neu entstehenden arabischen ölmaechte etwa plötzlich wieder Richtung Osten zurueck? Im Verlauf dieses Artikels werden wir unsere Zweifel an einer solchen Entwicklung begruenden.)

1918 entwickelte der Militaerstratege Major C.H. Douglas, der Brooks und Henry Adams offenbar nicht gelesen hatte, obgleich es ganz so aussah, ihre Gedanken noch einen Schntt weiter. Der entscheidende Faktor bei einem sozialen Wandel, so meinte Douglas, ist die Assoziationsvermehrung, die ein kulturelles Erbe schafft.

Assoziationsvermehrung heisst auf einen einfachen Nenner gebracht: je mehr Leute untereinander organisiert sind, um so mehr Arbeit kann geleistet werden, eine Sache, die Adam Smith schon 1776 erkannt hatte. Aber Douglas begriff das Ganze dynamischer als Smith. Er vertrat die Ansicht, dass die Assoziationsvermehrung als Folge des kulturellen Erbes - also dem Weitergeben von Wissen, Fertigkeiten, Geraeten, Handwerken, Ideen usw. - von Generation zu Generation zunimmt.

Es leuchtet ein, dass eine Stammesgesellschaft niemals den Parthenon haette bauen können, selbst wenn ein genialer Architekt unter ihren Mitgliedern gewesen waere. Weder die Assoziationsvermehrung noch das kulturelle Erbe dafuer waren da. Ebenso haette ein Stadtstaat der Renaissance nicht mal mit Leonardo da Vinci an der Spitze Neil Armstrong auf den Mond bnngen können. Von solchen Trajektorien ausgehend, berechnete Douglas, dass die von Brooks Adams beobachtete Verschiebung des Kapitals der Bewegung von Ideen - und damit "harter" und 'weicher" Technologie - folgte. Und da unser Ideenarchiv von Generation zu Generation waechst, beschleunigt sich tatsaechlich auch der Wandel, wenn auch nicht ganz so, wie Henry Adams es mit seinem "Gesetz" von der reziproken Potenz beweisen wollte.

Douglas behauptete weiter, dass das Kapital selbst auch zunimmt. Das war fuer seine Zeitgenossen eine radikale Theorie, die sowohl von Sozialisten, wie auch ökonomen der freien Marktwirtschaft heftig angegriffen wurde. Heute wissen wir, dass Douglas recht hatte und Volkswirtschaftler aller Schulen sind sich darueber einig, dass das Kapital der Welt um etwa 2% im Jahr waechst; mit anderen Worten: das gesamte Weltkapital verdoppelt sich ungefaehr alle 25 Jahre einmal.

Einige Jahre spaeter, 1921, definierte ein anderer Wissenschaftler, Graf Alfred Korzybski die I²-Funktion auf seine Weise und nannte sie Zeitbindung. Zeitbindung ist laut Korzybski der Mechanismus des kulturellen Erbes und gruendet sich auf unsere Faehigkeit, mehr und umfassendere Symbolsysteme zu produzieren. In unsererEntwicklung, so faehrt er fort, haben wir aufgehört, wie andere Primaten zu grunzen und zu heulen und angefangen, menschliche Sprache zu artikulieren, Sprache zu schreiben, Mathematik, Diagramme und Kalender zu erfinden und wissenschaftliche Gesetze zu entdecken. Heute verfuegen wir ueber Computertechnik und elektronische Informationssysteme auf der ganzen Welt. Bei jedem Schritt entdecken wir einen neuen Baustein in der Zusammensetzung und Struktur des Universums und können exakter abschaetzen, welche Erfindungen oder Ideen Erfolg versprechen und welche fehlschlagen werden.

Die Zeitbindungsfunktion von KoIzybski sieht ungefaehr so aus wie eine geometrische Reihe: 2-4-8-16-32-64

Das scheint eine viel genauere Einschaetzung der Wahrheit zu sein als Henry Adams reziproke Potenz-Funktion. Dr. O.R. Bontrager hat eine Vielzahl von Statistiken ueber den Grad von Veraenderung in den verschiedenen Bereichen der Technologie gesammelt, die dem Bild von Korzybski einfacher geometrischer Reihe sehr nahe kommen.

Sie wirkt auf den ersten Blick nicht so schockierend wie Adams Schaetzung, wenn man sich jedoch naeher damit beschaeftigt, ist sie mindestens genauso alarmierend. Wenn wir die 2- 4-8-Reihe beispielsweise fuenf Schritte ueber das sechste Glied, wo wir aufgehört hatten, weiter verfolgen, sind wir plötzlich schon bei 2048 angelangt und nochmal fuenf Schntte weiter bei 63536...

Wir wissen ausserdem, dass sich einige Phaenomene sogar noch schneller entwickeln. So hat J.R. Platt von der Michigan State University ausgerechnet, dass die Reisegeschwindigkeit seit 1900 um das tausendfache zugenommen hat, die Kommunikationsgeschwindigkeit sogar um das zehnmillionenfache. 1928 flog ein Mann ueber den Atlantik, aber schon fuenfzig Jahre spaeter, also 1978, ueberquerten ihn zweihundert Millionen Maenner, Frauen und Kinder.

1928, als dieser einsame Mann, Charles Lindberg in seinem Doppeldecker ueber den Atlantik flog, definierte der Techniker und Erfinder R. Buckminster Fuller, der Korzybski gelesen hatte, die I²-FunMion als Synergie.

Synergie ist die Art von Reaktion, bei der 1 plus 1 nicht 2 ist sondern 2+. Beispiel A): Man steckt einen Mann und seine Frau zusammen ins Bett und neun Monate spaeter hat man es vielleicht nicht mehr mit zwei, sondern mit drei Leuten zu tun. Beispiel B): Man bringt Molybdaen mit Stahl zusammen und erhaelt eine Legierung, die staerker ist, als jede einzelne der beiden Komponenten. Oder man ueberfuehrt die arabische Mathematik nach Europa, vermischt sie mit dem empirischen Wissen der Handwerker und heraus kommt Galileo und die Wissenschaft der Physik.

Fuller erkannte, dass die höchste Form der Synergie der Verstand selbst ist, der seiner Ansicht nach sich von Natur aus selbst erweitert. Anders ausgedrueckt, man kann nicht zwei Ideen zusammenbringen, ohne dass daraus eine dritte entsteht, fast wie in unserem Beispiel A). Fuller stimmt mit Douglas ueberein: das Weltkapital vergrössert sich, weil auch staendig neue Ideen auftauchen.

Die Welt braucht immer grössere und straffer organisierte Systeme, von denen jedes dazu in der Lage ist, insgesamt mehr zu leisten als fruehere, weniger durchorganisierte Systeme.

1944 fuegte der Nobelphysiker Erwin Schrödinger unserer Definition von I² eine neue Perspektive hinzu. In seinem Buch "Was ist Leben?" behauptet Schrödinger, dass alles im Universum, bis auf das Leben selbst, dem zweiten Gesetz der Thermodynamik folgt, indem es stetig auf maximale Entropie hinsteuert (was wir hier fuer unsere Zwecke mal vage als Chaos oder Inkohaerenz definieren wollen). Leben jedoch bewegt sich genau in die entgegengesetzte Richtung - auf höhere Organisation, grösseren Zusammenhalt, negative Entropie hin.

Waehrend der naechsten Jahre entdeckten Claud Shannon von den Bell Laboratories und Norbert Weiner vom M.I.T. fast zur gleichen Zeit, dass die Information einer Botschaft sich mathematisch als negative Entropie darstellen laesst. Damit begruendeten sie die Wissenschaft der Kybernetik; aber wir schweifen ab. Was uns daran im Zusammenhang mit I² interessiert, ist die Tatsache, dass die Bewegung des Lebens auf grösseren Zusammenhalt hin, wie Shannon und Weiner feststellten, erheblich beschleunigt wird, wenn die Techniken des Lebens, vor allem in der Datenverarbeitung, verbessert werden. Kurz, die Entwicklung von Grunzlauten ueber Sprache und Mathematik zu Computem ist eine Bewegung auf Informationszuwachs hin, weg von Entropie; eine Verschiebung zu kohaerenter Ordnung im Gegensatz zu willkuerlichem Verfall.

Bucky Fuller wies als erster darauf hin, dass die Entwicklung der Informationstheorie von Shannon und Weiner die Möglichkeit bietet, den menschlichen Verstand in diesem Teil des Universums als die gIösste synergetische Maschine ueberhaupt zu betrachten, als das beste Werkzeug, um mit weniger Arbeit mehr zu leisten.

Fuller legte grössten Wert auf die Tatsache, dass Wissen sich immer nur vermehren kann - bis auf tragische Ausnahmen wie ein Gehirnschaden bei einem Individuum oder Totalitarismus in einer Gesellschaft. In dem Masse, wie unsere Kommunikationsmöglichkeiten und Datenverarbeitungstechniken staendig verbessert werden, erweitert sich auch menschliches Wissen als Ganzes. Sowohl die "weiche", wie auch die "harte" Technologie werden in ihrer Entwicklung beschleunigt Ideen und Geraete veraendern sich schneller. Und das Kapital nimmt entsprechend zu.

Der stets provokante Dr. Timothy Leary beschliesst unser Set von Modellen, mit dem wir dem Gesetz der Beschleunigung auf die Spur kommen wollen. In seinem Buch The Intelligence Agents von 1979 behauptet Leary, dass die Ost-West-Bewegung, die Brooks Adams als Migration des Kapitals definierte, in Wirklichkeit eine genetische Entwicklung ist. Die Erde dreht sich von Westen nach Osten; die robusteren, innovativeren Gene schwimmen jedoch gegen den Strom und bewegen sich von Osten nach Westen. Die von Brooks Adams beobachtete Machtverschiebung von Babylon nach New York dauert noch immer an, bestaetigt Leary; die Pioniergene sammeln sich an der Westkueste und treffen die letzten Vorbereitungen um sich in den Weltraum zu kapitulieren.

Merkwuerdigerweise wird dies auch von der Theorie des Soziologen Carl Ogleby bekraeftigt, der behauptet, dass in unserer herrschenden Klasse eín Kneg zwischen "Cowboys" und "Yankees" im Gange ist. Die Cowboys suchen wie eh und je nach neuen Grenzen, waehrend die Yankees konservativ geworden sind. Die Kontrolle ueber unsere Wirtschaft ist zwischen den New Yorker Kapitalisten und den neuerungssuechtigen Cowboy-Kapitalisten aufgeteilt. Zur letzteren Kategorie gehören natuerlich die, die kraeftig in die Weltraumindustrie investieren.

All diese Definitionen und Beobachtungen haben eine deutliche Beziehung zueinander und jede einzelne von ihnen traegt zu unserem Verstaendnis des sozioökonomischen Wandels bei. Die Adams Brueder mit Migration und Beschleunigung, Douglas mit seiner Theorie von der Assoziationsvermehrung ,Korzybski und die Zeitbindung, Fullers Synergie Schrödingers Idee vom Leben als einen antientropischen Prozess, Shannon und Weiner, die Information als negative Entropie definieren und Leary mit seiner Neurogenetik und ExoPsychologie - alle illustrieren Teile von dem, was wir mit Informationszuwachs meinen. Dass diese Intelligenzsteigerung (der Begriff stammt von Leary) Teil einer weltweiten, 4000 Jahre alten Informationsexplosion ist, sollte ebenfalls klar sein. Unsere Vorfahren, die sich vom Jagen und Beerensammeln ernaehrten, brauchten nicht die Vielfaeltigkeit von Formen und Modellen, die fuer die Griechen zu Platos Zeiten selbstverstaendlich waren. Mehr Intelligenz, in verschiedenen Formen und Funktionen, waren fuer die Transformationen notwendig, die uns heute unter den Begriffen Renaissance, Industrielles Zeitalter und Aufschwung rein repraesentativer Regierungen gelaeufig sind. Mittlerweile werden schon wieder neue Intelligenzformen produziert, um mit der Computerrevolution und dem Aufbruch ins Weltall Schritt halten.

Der andere Aspekt der I²-Funktion, die staendige Mutation des Ego, ist subtiler. Stammesangehörige kennen nur sich selbst und definieren sich stets nur innerhalb ihres Stammes, genauso wie fuer sie das Universum nur aus ein paar, oder ein paar hundert Meilen grosses Land mit Himmel obendrueber begreiflich ist. Die Urbanisierung und Zivilisierung brachte ein domestiziertes menschliches Ego mit grösserer Selbstbestimmung und einer Art Entfremdung oder Anomie hervor, die aus dem Verlust der Stammeszugehöngkeit (erweiterte Familie) heraus entstand. Die Renaissance schaffte das moderne Individuum - zweifelnd, ungeduldig, unglaublich "selbstsuechtig", wenn man es an den Standards traditioneller Gesellschaftsformen misst, das nach persönlichen und sozialen Zielen strebt, die in der fruehen Evolution undenkbar gewesen waeren. Und in diesem Jahrhundert tauchte ganz besonders nach 1945, mitten in dem Chaos und Durcheinander, das jede grössere Transformation begleitet, ein neues Ego, eine neue Form von sozialer SelbstBestimmung auf.

Wir gleichen heute unseren Grosseltern noch weniger als sie den ersten Hominiden auf der Suche nach Nahrung. Jedes Mal, wenn wir das Fernsehen einschalten, nehmen wir an einem Wunder teil, das uns mehr veraendert, als wir uns vorstellen können. Es spielt gar keine Rolle, was gerade laeuft; wie schon McLuhan sagte: "Das Medium ist die Botschaft" jedenfalls zum grössten Teil. Die simple Tatsache, dass uns dieser Kasten LiveUebertragungen vom anderen Ende des Planeten ins Haus flimmert, ist schuld daran, dass wir uns heute anders begreifen als jede andere Generation zuvor. Intuitiv hat sich unsere Meinung darueber, wer wir sind, wo wir sind, was wir sind und warum wir so sind, grundlegend gewandelt.

Die neurologische Schockwelle, die vor mehr als 4000 Jahren entstand und immer schneller ueber uns hinwegrollte, wird natuerlich auch in den naechsten 40 Jahlen nicht etwa zusammenbrechen oder sich wieder zurueckziehen.

Das Leben wird auch weiterhin die Pforten der Wahmehmung Schritt um Schritt weiter aufstossen. Die Computerrevolution wird uns noch mehr und viel schneller als das Fernsehen mutieren. Hier ein Beispiel fur die neue Zeitrechnung: als ich 1946 in die High School kam, gab es in den privaten Haushalten der USA noch so gut wie keine TV-Geraete; als ich 1950 mit der High School fertig war, hatte fast jeder seinen Kasten im Wohnzimmer stehen. Und alles spricht dafuer, dass Heimcomputer das Land in den naechsten vier Jahren genauso ueberschwemmen werden wie das Femsehen in meuler High School-Zeit.

Der Computer ist aber auch ein verfuehrerisches Biest. Selbst Leute, die von sich glauben, dass Sie mit Technologie nichts anfangen können, sind nach ein paar Stunden am Mischpult dieses wunderbaren Spielzeugs suechtig danach geworden. Kinder scheinen am schnellsten drauf abzufahren und wechseln rascher von einfachen zu gehobenen Programmen ueber. So wird der Aufschwung von Heimcomputern in den achtziger Jahren fuer alle Dimensionen der I²-Funktion ein enormer Quantensprung sein - Intelligenzintensivierung, Informationszuwachs und ein neues Verstaendnis davon, wer und was wir sind.

Man kann nicht lange mit Computern herumspielen, ohne sich darueber klar zu werden, dass Intelligenz die Faehigkeit ist, Signale zu empfangen, zu integrieren und weiterzuvermitteln. Man faengt plötzlich an, sein eigenes Nervensystem als wunderbaren Computer zu begreifen, will die Arbeit mit ihm ausdehnen und beschleunigen. Man will mehr Signale empfangen , sie in bessere Imitationen oder Modelle der Welt integrieren und sie so effektiv wie möglich weiterleiten. Intelligenzsteigerung scheint mittlerweile genauso hedonistisch zu sein wie die Forderung nach Bewusstseinserweiterung in den sechziger Jahren.

Und plötzlich versteht man auch MacLuhans paradoxe Behauptung vom Medium als Botschaft. Die Ideen in diesem Artikel, speziell das Schrödinger/Fuller-Konzept von der Evolution als Kampf fuer bessere Information und weniger Entropie erhalten eine intuitive und sinnliche Bedeutung. Das Nervensystem entwickelt sich in der Begegnung mit dem Computer, der wiederum mehr und mehr mit anderen Computern auf der Erde und im Weltraum korrespondieren wird.

Inzwischen werden natuerlich unsere gegenwaertigen "Probleme" nicht einfach ueber Nacht verschwinden. Die Befreiung der dritten Welt, der Schwarzen, der Frauen usw. wird auch weiterhin unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen und Lösungsmöglichkeiten fordern. Auch der Terronsmus wird noch ein Weilchen bleiben, jedenfalls solange es noch Leute auf der Welt gibt, die glauben, dass eine kleine Gruppe von Weissen in der westlichen Welt zuviel Macht hat und diese Macht ohne Sympathie fur die Nöte und Erwartungen anderer einsetzt und missbraucht.

Man muss bei diesem weltweiten Kampf nicht unbedingt mit Weltuntergangsszenarios arbeiten, wenn man Reichtum und Macht abschaffen will. Das erste Axiom der I²Hypothese lautet: wenn ein Problem existiert, dann wird sich auch eine Lösung dafuer finden lassen. soweit kommen zu lassen, dass wir haenderingend den Untergang der Menschheit bejammern, sondern uns dazu anzuspornen, nach Lösungen zu suchen.

Irgendwann in den naechsten fünfzehn Jahren, zwischen 1980 und 1995 werden die ersten Langlebigkeitspillen auftauchen. Das ist natürlich erst mal eine Schaetzung - der Zeitfaktor dabei kann wirklich nicht so genau kalkuliert werden - aber es gibt heute mehr Forscher, die am Problem der Lebensverlaengerung arbeiten, als 1930 an der Atomenergie, kurz bevor Einstein seinen berühmten Brief über die deutsche Atomwaffenforschung an Praesident Roosevelt schrieb. Sobald irgendein Land auf der Welt den Eindruck gewinnt, dass ein anderes Land die Langlebigkeitsformel entwickelt hat oder kurz davor steht, wird die Forschung dramatische Fortschritte machen.

(Es ist durchaus möglich, dass einige der Langlebigkeitspillen, die heute schon von bestimmten Fanatikern konsumiert werden, speziell die Vitamine E, Megadosen von C und RNS, die Lebensspanne bereits geringfügig zu verlaengern scheinen, wenn auch der Beweis dafür noch nicht eindeutig erbracht ist.)

Mehrere Forscher haben mittlenveile schon von positiven Ergebnissen bei Experimenten mit Tieren berichtet. In jüngster Zeit sind in den Massenmedien auch diverse Artikel zu diesem Thema erschienen und eine Welle von Büchern, unter anderem Prolongevity (Rosenberg), The Life Extension Revolution (Kent), The Immortalist (Harrington), The Immortality Factor (Segerberg) und Secrets of life Extension (Mann) hat den Markt überschwemmt. Die zehn Prozent starke Avantgarde in der Bevölkerung wartet schon jetzt mit Spannung darauf, dass das Problem des Alterns und schliesslich auch der Tod endlich besiegt werden. Wenn die Botschaft von diesen Entwicklungen dreissig Prozent der Bevölkerung erreicht hat, kann man erwarten, dass sowohl die Regierung wie auch die Privatindustrie viel massiver als bisher in die Forschung investieren. Die Schaetzung, dass der erste Durchbruch, wie unvollstaendig er dann auch noch sein mag, irgendwann zwischen jetzt und 1995 erfolgen wird, ist durchaus realistisch. Selbst wenn die erste Lebensverlaengerungsdroge die Lebensspanne nur um zehn bis fünfzehn Prozent verlaengert, ist die psychologische Wirkung immens. Die Erwartungen werden steigen und die Forschung sich beschleunigen.

Vielleicht ist es gar nicht so weit hergeholt, wenn der angetörnte Soziologe F.M. Esfandiary behauptet: "Wenn Sie die naechsten zwanzig Jahre überleben, brauchen Sie wahrscheinlich überhaupt nicht zu sterben." Das Weltraumzeitalter ist natürlich schon Iaengst angebrochen. über hundert Maenner und Fraün waren bereits im All; unser Fernsehen zeigt jeden Abend beim Wetterbencht Satellitenphotos und hat auch schon Bilder vom Mars und vom Jupiter gebracht. Wenn Heimcomputer, die an Satelliten un Weltraum angekoppelt sind, sich erst einmal ausgebreitet haben, werden wir alle immer mehr spüIen, dass wir am Weltraumzeitalter teilhaben, auch wenn wir unser Haus nicht verlassen. Mit Sicherheit wird die Langlebigkeitsrevolution das "Bevölkerungsproblem" im Bewusstsein der Menschheit vergrössern, so dass eine Auswanderung ins All mit der Zeit unumgaenglich wird.

Da wir bereits über jede Menge Kommunikationssatelliten verfügen, ist die von Kaliforniens angeblich "unberechenbaren" Gouverneur Brown unterstützte Einführung von Sonnensatelliten kein allzu grosses Problem mehr. Schliesslich können Kollektoren auf der Erdobernaeche die Sonnenenergie höchstens zwölf Stunden pro Tag und an wolkigen, regnenschen oder bedeckten Tagen überhaupt nicht speichem. Ein Sonnensatellit dagegen kann vierundzwanzig Stunden pro Tag, und das das ganze Jahr hindurch arbeiten.  Selbst bei den antitechnologischen Kreisen, die heutzutage überall wie Pilze aus dem Boden Schiessen, dürfte eine solche Idee nicht laenger ignoriert werden.

Dr. Barry Commoner, einer der führenden Wirtschaftsexperten bewies auf der 1980er Versammlung der American Association for the Aduancement of Science, dass wir mit emstlichen wirtschaftlichen Schwiengkeiten rechnen müssen, ohne dass unser Planet unbedingt von einem ökologischen Disaster getroffen werden muss, wenn wir nicht endlich aufhören, unsere Wirtschaft fast ausschliesslich auf nicht wiedervenvendbare Qüllen wie öl und Kohle aufiubaün. Es ist ja ein bekanntes Phaenomen der Wirtschaft, dass der Preis eines bestimmten Produktes in die Höhe schnellt, sobald seine Qülle zu versiegen droht.

(Habt ihr euch in letzter Zeit mal die Benzinpreise angeschaut?)

Wenn Energie nicht zu einem Privileg der Reichen werden soll, müssen wir uns verdammt schnell auf wiederverwertbare Qüllen umstellen, meint Dr. Commoner.

Sonnenenergie ist die reichhaltigste aller wiederverwertbaren Qüllen und Satelliten die einfachste Möglichkeit, sie so effektiv wie möglich zu speichern.

Aber solche Sonnensatelliten sind nur der erste Schntt bei der Ausdehnung unserer Wirtschaft auf den Weltraum. Der Erfinder G. Harry Stine hat ausgerechnet, dass es 10^100 technische Vorgaenge gibt, die im Weltraum effektiver oder billiger als auf der Erdoberflaeche ausgeführt werden können. Ein Beispiel füI die Theorie, dass mit weniger Anstrengung mehr zu leisten ist. Selbst Bucky Fuller würde staunen, dabei sind das ja reine physikalische Phaenomene, die auf der Kondition von Schwerelosigkeit und hochgradigem Vakuum basieren, wie es sie nur im Weltraum gibt.

Für den Fall, dass es jemand nicht weiss: 10'00 bedeutet eine 10, auf die hundert Nullen folgen. Hört sich nicht wenig an (meint er mit typisch britischem Understatement) - daneben wirkt die Industnelle Revolution wie ein Sturm im Wasserglas. Alles spricht dafür, dass die Rate des Kapitalzuwachses viel schneller steigt als die üblichen zwei Prozent, die wir seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gewohnt sind, wenn die Industrie sich in den Weltraum begibt. Im Grunde bedeutet diese Zahl, dass wir kurz davor stehen, den grössten Quantensprung zu machen, den es in bezug auf Energie, ihre Qüllen und den daraus folgenden Umsatz je gegeben hat.

Das Wort "wir" in den vorangegangenen Saetzen ist natürlich ein Problem. Bei der überlegung, was der Grosse Wirtschaftsaufschwung der Raumfahrtindustrie fur die menschliche Rasse im allgemeinen, nicht für die mulitnationalen Konzerne bedeutet, sollte folgendes berücksichtigt werden:

1. Die Dritte-Welt-Bewegung und die anderen Kreuzzüge der Armen werden damit nicht verschwinden.

2. Selbst unter unserem gegenwaertigen System von Monokapitalismus ist der Lebensstandard der Masse staendig gestiegen, also - im Gegensatz zu Marx -: der Kapitalismus hat nicht bedeutet, dass die Reichen noch reicher und die Armen noch aermer wurden, sondern, dass die Reichen zwar noch reicher, aber immer weniger Arme noch aermer wurden, so wie im 19. Jahrhundert. Die arbeitslosen Armen, die heute stempeln gehen, haben es viel besser und leben gesünder als die arbeitenden Armen zu Marx' Zeiten.

3. Je weiter die Intelligenz/Informations-Revolution fortschreitet, umso bessere und rationalere Möglickeiten werden die Benachteiligten finden, um ihren Forderungen nach einem gerechten Anteil am grossen Kuchen Ausdruck zu verleihen. Mit anderen Worten, es ist zwar einfach, eine Bande von durchgedrehten Terroristen zu ignorieren, aber sehr schwer, eine Gruppe von Menschen nicht zu beachten, die so gut organisiert ist wie die amerikanische Arbeiterschaft heute.

Bucky Fuller und Wemer Erhard haben vorausgesagt, dass die weltweite überwindung des Hungers bis 1995 erreicht sein würde. Heute mag das noch hoffnungslos utopisch klingen, aber eigentlich nur deshalb, weil wir uns an Dummheit und engstirnige Raffgier auf höchster Ebene schon so gewöhnt haben. Selbst wenn man diesen Faktor menschlicher Sturheit berücksichtigt, scheint es einigermassen vernünftig wenn man Fullers und Erhards Ziel noch in die ·lO-Jahres-Spanne dieses Artikels plaziert. Und es gibt überhaupt keinen Grund, warum man nicht auf 1995 hinarbeiten sollte. Jeder Karatelehrer wird mir recht geben, wenn ich behaupte, dass das Geheimnis des Erfolges dann liegt, sich mehr vorzu.nehmen, als man zu erreichen glaubt.

Und hier kommt die viel geschmaehte Human Potential-Bewegung ins Bild. Sie wurde nicht, wie allzu eilfertige Kritiker meinen, in den siebziger, sondern schon in den fünfzger Jahren erfunden und war eine Folge der interpersonalen Bedeutung von Psychologen wie Harry Stack Sullivan, der erkannte, dass eine "kranke" Person eigentlich nur Teil einer "kranken" Situation ist, der wachsenden Popularität der Gruppentherapie, die die altmodische Einzeltherapie ablöste und speziell von Dr. Abraham Maslows Entdeckung, dass gesunde Menschen viel interessanter sind als Kranke und dass deshalb die Psychologen lieber die Gesunden studieren sollten.


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